Einstellung des Personenverkehrs von Berga-Kelbra nach Stolberg

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BERGA / Der Heimat- und Geschichtsverein „Goldene Aue" hatte nicht nur seine Mitglieder mobilisiert sondern es kamen viele Eisenbahnfreunde und Einwohner aus nah und fern um nochmals das Thyratal aus der Eisenbahnperspektive zu betrachten.

Der 10. Dezember 2011 war der letzte Betriebstag für Personenzüge auf dieser Strecke. Schon vor Ankunft des ersten Zuges aus Stolberg drängten sich viele Besucher und Vertreter der Medien. Die „Mitteldeutsche Zeitung", der MDR-Rundfunk und der Nachrichtensender „Sachsen-Anhalt heute" des MDR-Fernsehen waren dabei und berichteten von diesem letzten Betriebstag.
Unter großer Anteilnahme wurden die von der Firma POP design Windrich angefertigten Plakate mit der Aufschrift: „Einstellung des Personenverkehrs Berga-Kelbra – Stolberg (Harz) 10. Dezember 2011" angebracht.

Die Reisenden hatten das große Glück nicht von Regenschauern an diesem Tag vertrieben zu werden. Ein Unterstellen wäre nicht mehr möglich gewesen, da man die historischen Vordächer wenige Tage zuvor beseitigt hatte. Der Fahrkartenautomat wurde Tage zuvor gestohlen.
In Stolberg wurden alle vom Ortsbürgermeister Ulrich Franke begrüßt. Er sagte unter anderem: „Es ist kein schöner Moment, der heute in den Geschichtsbüchern festgehalten wird. Gewollt ist er nicht. Die Werbung für die durchgehenden Züge von Magdeburg bzw. Leipzig und Halle nach Stolberg war am Geld gescheitert. Vielleicht können wir im Moment nichts bewegen. Jetzt geht es aber darum, den Rückbau der Anlagen zu verhindern und nach einer Lösung zu suchen." Ulrich Kasten, stellvertretender Vorsitzender des BUND Sachsen-Anhalt sagte unter anderem: „Es sei überlegenswert die NASA bzw. die DB zu bitten, dass die Strecke für Sonderfahrten auch weiterhin zur Verfügung steht."
Manfred Schröter, Gemeindevertreter von Berga und stellvertretender Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins „Goldene Aue" stellte einige Fakten zur Streckengeschichte mit folgenden Worten vor:

„Liebe Eisenbahnfreunde aus nah und fern,
vor 121 Jahren hat man die Postkutsche verabschiedet – Die Bahn stellte damals den Fortschritt dar, heute löst der Individualverkehr und der Bus die Bahn ab und wir sind die Zeitzeugen.
Am 1. Juni 1890 erfolgte die Inbetriebnahme der 9,5 km langen Strecke Berga-Kelbra bis Stolberg-Rottleberode mit Halt in Uftrungen.
Dabei wird zwischen Berga und Rottleberode bei gleichbleibender Steigung ein Höhenunterschied von 57 m überwunden.
Auf dem Reststück von 5,5 km bis Stolberg kommt es zu einem Anstieg um 72 m mit 2 Viadukten. Dieser Abschnitt wurde erst 33 Jahre später bzw. vor nunmehr 88 Jahren, am 1. März 1923 in Betrieb genommen.
Im April 1966, vor 45 Jahren wurde der neue Güterbahnhof Rottleberode-Süd seiner Bestimmung übergeben – er ist zu Zeit der größte Güterbahnhof des Mansfelder Landes und des Südharzes. Erst im Sommer des Jahres 2011 wurde eine 500 m lange Anschlussgleisverlängerung gebaut. Leider wurde diese, außer von den Baumaschinen, noch nicht genutzt.
Der Güterverkehr nach Rottleberode-Süd wird weiter von der DB betrieben und bleibt als Strecke erhalten.

Von 1981 bis 20. Juni 1983 verkehren nochmals Dampflokomotiven der Baureihe 52 im täglichen Betrieb, dies hatte einen Ansturm von Dampflokliebhabern zur Folge.
Zur 100 Jahrfeier verkehrte am 2. Juni 1990 nochmals eine Dampflok der Baureihe 38, dieser Loktyp war Jahrzehnte auf dieser Strecke dominant.
Am 26. November 1995 fuhr vorerst der letzte Personenzug ein grüner VT 772, die Beiwagen hatten eine eigene Baureihennummer 972.
Er verkehrte mit dem Trauerband:
VORERST LETZTE FAHRT 26.11.95 BERGA-KELBRA - STOLBERG
Am 26. Juni 1998 erlebte die Strecke nach einer umfassenden Rekonstruktion, welche mehrere Millionen Mark kostete, eine feierliche Wiedereröffnung.
An diesem Tag verkehrte letztmalig eine Dampflokomotive auf dieser Strecke.

Aber schon nach 13 Jahren kommt nun das Ende der Personenbeförderung.
Bis zum 8. Dezember 2007 verkehrten täglich Personenzüge, zuletzt die gelben Triebwagen VT 672 der Burgenlandbahn. Vor 4 Jahren wurde der wochentägliche Personenverkehr eingestellt. Es wurde ein Schild mit folgendem Text angebracht:
„Letzte Fahrt des täglichen Thyraliesel-Triebwagens 8. Dez. 2007
Berga-Kelbra – Stolberg (Harz)"
Obwohl an den Wochenenden die Deutsche Bahn Regionalexpresszüge von Leipzig/Halle bzw. von Magdeburg in reisendenfreundlichen Triebwagen bis zum heutigen Tag anbot wurde diese Möglichkeit von den Reisenden leider nicht angenommen. Am 4.12. verkehrte zum letzten Mal der sonntägliche Regionalexpress von Stolberg nach Halle bzw. Leipzig.

Ab dem 11. Dezember 2011 verkehren ab 8 Uhr im Zweistundentakt Reisebusse zwischen Berga und Stolberg. Die Zustiegsmöglichkeiten erweitern sich, im Vergleich zum Bahnbetrieb, von 4 auf 11 Haltestellen.
Die Wirtschaftlichkeit erhöht sich um ein vielfaches. Das Land bezahlt für eine Zugfahrt von Berga nach Stolberg etwa 225 Euro hinzu. Für eine Busfahrt nur 45 Euro! Also das 5fache weniger an Ausgaben.
Die Aufnahme der Buslinie in das ÖPNV-Landesnetz ist aber an bestimmte Qualitätskriterien wie Fahrradmitnahme und Geltung von Bahntickets geknüpft.

Heute nun der Abschied mit den letzten 5 Fahrten der Regionalbahnen zwischen Berga-Kelbra und Stolberg und zurück.
16.48 Uhr wird sich dieser Triebwagen VT 642 169 bzw. 669 von Stolberg und dem Thyratal verabschieden – ein letztes Mal gibt es eine sonnabendliche Regionalexpressverbindung von Stolberg über Rottleberode, Uftrungen und Berga-Kelbra in unsere Landeshauptstadt Magdeburg.
Die Reisemöglichkeit mit der Bahn endet mit dem heutigen Tag leider unwiderruflich und damit endet heute Abend die Kursbuchstrecke KBS 592."

Ein letztes Mal hatten alle die Möglichkeit das schöne Thyratal aus der Sicht eines Bahnreisenden zu betrachten und noch einige, heute schon historische Bilder, vom Bahnbetrieb anzufertigen.